Diakonie Schwerte
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„Selbst in Schuld?“: Schuldnerberatungsstellen der Diakonie Mark-Ruhr stehen vor großen Herausforderungen


Hagen. Sowohl gestiegene Lebenshaltungskosten als auch die Erhöhung der Energiekosten bringen zunehmend mehr Menschen in finanzielle Bedrängnis, zusätzlich wird durch die Anhebung des Leitzinses und die daraus resultierenden Folgen für diejenigen Bürgerinnen und Bürger mit geringen oder unsicheren Einkommen, ganz besonders aber auch für bereits verschuldete Menschen das (Über)Leben schwieriger. Auf diese Entwicklung weisen die Schuldner-Beratungsstellen der Diakonie Mark-Ruhr in Hagen, Witten, Hattingen und Schwelm hin.

„Wir stehen vor Entwicklungen, die alle Lebensbereiche betreffen und damit insbesondere Menschen mit geringen Einkünften und geringem Vermögen besonders hart treffen“, sagt Beate Ben Halima von der Schuldnerberatung der Diakonie Mark-Ruhr in Hagen. „Die Erhöhung sämtlicher Kreditzinsen für ver- und überschuldete Personen, die anstehende Verteuerung der Mieten bei gleichzeitiger Wohnraumverknappung durch Investitionsstopp der Wohnungsbaugenossenschaften und die finanzielle Unerreichbarkeit von Wohneigentum und natürlich die explodierende Benzin- und Energiepreise sind die Beispiele, warum wir mit einer wachsenden Anfrage nach unserem Beratungs- und Hilfe-Angebot rechnen.“
Vor diesem Hintergrund kann Beate Ben Halima auch ein konkretes Beispiel nennen: die Mitarbeiterin eines großen Verpackungsunternehmens, die seit über zehn Jahren im Conti-Schichtsystem arbeitet und daher oft morgens beginnen muss, bevor der ÖPNV fährt, benötigt für die Tankfüllung ihres Kleinwagens inzwischen so viel Geld, dass nach Abzug von Miete, Versicherungen und Treibstoff kaum noch Geld für Essen bleibt.
„Das führt zu der absurden Situation, dass unsere Klienten tatsächlich überlegen muss, ihre Arbeitsstelle aufzugeben.“ Ein Umzug für sie und ihre Tochter komme wegen der Wohnraumknappheit nicht in Frage. Eine andere Klientin, die an den Wochenenden regelmäßig ihre bei ihrem geschiedenen Mann lebenden Kinder besuchte, bangt wegen der gestiegenen Spritkosten um die Besuchsfahrten, da ihr Erwerbseinkommen für die Fahrten zur Arbeit und die Besuche einfach nicht mehr ausreicht.

„Das sind leider keine Ausnahmen, diese Szenarien bilden die künftige Lebensrealität vieler Menschen ab. Zusätzlich werden die Preise für Nahrungsmittel weiter steigen, was das (Über)Leben in der Gesamtsumme stark verteuern wird und nicht nur die Ärmsten der Armen vor große finanzielle Schwierigkeiten stellt.“

Ein anderer, nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Tatsache, dass Menschen beim Kauf von Konsumgütern inzwischen standardisiert eingeladen werden, sich zu verschulden. „Wo früher der benötigte Kaufbetrag angespart wurde, locken heute Angebote wie ‚100 Tage Zahlpause‘, ‚heute bestellen und in drei Monaten bezahlen‘, ‚Ratenkauf‘ etc. Das ist nichts anderes, als die alltäglichen Aufforderungen, sich zu verschulden“, bringt es Beate Ben-Halima auf den Punkt. Neben den Menschen mit erheblichen Konsumschulden infolge zahlreicher Bestellprozesse, Handyverträgen etc. geraten Geringverdiener/Geringverdienerinnen und auch Rentnerinnen und Rentner, die aufgrund geringer Bezüge in Verbindung mit gestiegenen Lebenshaltungskostenihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen können, in wirtschaftliche und existentielle Schieflage.

„Das Thema Schulden wird in Zukunft noch mehr eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellen. Angebote wie die Schuldnerberatung der Diakonie sind zwingend nötig, Schulden können jeden Menschen aus unterschiedlichen Gründen treffen. Das hat uns unsere Arbeit in den letzten Jahren gezeigt.“ Da die Nachfrage steigt und gegenüber dem Vorjahr merklich steigt, wird auch die Wartezeit auf einen Termin immer länger. Auch wenn das Team der Diakonie bemüht ist, so schnell wie möglich zu helfen und erste Vorgespräche zu führen, kann beispielsweise eine intensive Insolvenzberatung erst in mehreren Monaten stattfinden. „Während ich ein Kliententelefonat führe, haben bereits drei weitere Menschen in aktuell prekärer Lage ihre Kontaktdaten für einen Rückruf auf dem Anrufbeantworter hinterlassen“, ergänzt Sandra Ulrich. „Angesichts der in der allgemeinen Lage zu erwartenden Bedarfsexplosion erscheint die Schuldnerberatung beim Blick auf diese Zahlen als wahre Sisyphos Aufgabe. Wir appellieren an die Politik, die Förderung für die Schuldnerberatungen nicht nur zu erweitern, sondern auch zu verstetigen: In manchen Kommunen liegen die Wartezeiten inzwischen bereits bei über zwei Jahren, weil die in der Vergangenheit und aktuell genehmigten Stellenkontingente zur Bedarfsabdeckung nicht annähernd ausreichen, sondern eher dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein gleichen.“